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Der Schlüsseldienst aus romantischer Sicht

Dass ein Schlüsseldienst benötigt wird um ein Problem in der Ehe zu lösen ist nicht selten. Die Frau bemerkt, dass ihr Mann sie betrügt, so nimmt sie ihr Handy aus der Tasche und beauftragt einen Schlüsseldienst, welcher ihr das Schloss bzw. den Zylinder an der Türe auswechselt. Danach ruft ihr Mann einen Schlüsseldienst (oft den gleichen) um das Schloss aufzubohren und ein neues zu montieren. Doch der Mann erteilt den Auftrag in der Zeit als die Frau nicht zu Hause ist. Der Schlüsselservicemonteur ist in diesem Moment überrascht, denn er wechselt das Schloss schon das zweite Mal innerhalb einer Woche aus. Dies passiert sehr oft und sogar mehrmals, bis sich die Ehegatten versöhnen oder die Situation anders lösen.

Mein Onkel aus Lausanne betreibt einen Schlüsseldienst schon seit 30 Jahren. Hohe Erfahrung trägt er mit sich, vom Schlüsseldienstbrot leben auch seine Söhne, ihre Söhne werden dann später den Schlüsselservice übernehmen. Er hat tausende von Einsteckschlösser und Zylinder ausgewechselt, tausende Türen aufgemacht und immer erfolgreich Kunden geholfen, welche ausgesperrt waren oder deren Schlüssel verloren haben. Seinen Job macht er zuverlässig und mit viel Liebe. Im Gegensatz zu Steuerbeamten und Gerichtsvollziehern, wird auf den Schlüsseldienst ungeduldig gewartet. Im Moment als er die blockierte Tür oder das blockierte Schloss repariert, vertrauen sich ihm die Eigentümer, reden um den heissen Brei, damit sie die unangenehme Stille brechen oder um sich so zu beruhigen.

Die Arbeit eines Schlüsseldienstlers kann man mit jener eines Arztes oder sogar eines Pfarrers betrachten. Die Bewohner von Lausanne öffnen sich gerne einem Mann, welcher ihnen ein Sicherheitsgefühl geben kann. So ist es bei meinem Onkel. Er hat immer eine coole Geschichte, welche er erzählen kann.

So wie jeder Zweite, schätzt er seine Arbeit, er hat an sich über die Jahre viel gearbeitet. Jede Zeitschrift über den Schlüsseldienst hat er gelesen und es fiel ihm nicht schwer, bis ans andere Ende von Europa zu reisen um eine neue Türöffnungstechnik zu erlernen. Doch durch die Arbeit in der Schlüsseldienstbranche und durch das Eindringen in andere Wohnräume hat er etwas Wichtiges gelernt, dies ist der Schlüssel zum Erfolg in dieser Branche – Diskretion.

Der Unterschied zwischen ihn und der Konkurrenz aus Lausanne ist, dass mein Onkel nie über die «schmutzige Wäsche» seiner Kunden berichtet und weitererzählt. Im Moment der Wut können Kunden verschiedenes meinem Onkel anvertrauen. Leise und professionell würde er ihnen das Schloss ersetzen und sich so verhalten, dass er die Spuren des Einbruchs von der Seite des wütenden oder untreuen Ehemanns nicht sehe, welcher erfahren hat, dass seine Ehefrau den alten Zylinder ersetzt hat. Er würde seinen Kopf wegdrehen, bis der Streit der Ehegatten nicht ein Ende findet. Eine junge Mutter würde er trösten, weil sich ihr Kind unbeaufsichtigt im Bad ausgeschlossen hat, natürlich nachdem er das Kind aus dieser Notlage befreit hat.

Er hat nie Jemanden Vorwürfe gemacht oder ihn/ sie verurteilt. Stets hat er sich bemüht die Arbeit so schnell wie möglich zu erledigen oder falls er nichts mehr machen musste (als der Kunde seinen verlorenen Schlüssel unter der Matte fand) gab er seinen Kunden einen kräftigen Händedruck, sagte ein herzerwärmendes Wort und machte sich auf den Weg.

Als er noch jung war und seine Schlosserlehre abgeschlossen hatte, bekam er einen dringenden Anruf. Eine weibliche Stimme teilte ihm mit, dass er so schnell wie möglich ihr Schloss auswechseln soll. Anscheinend war der Schlüssel im Zylinder steckengeblieben, es war kurz nach Mitternacht. Als er vor Ort war, wartete die junge Dame weinend vor der Tür. Um ihr waren einige Kartonschachteln in denen sich Kleider eines Mannes befanden. Er brauchte nicht lange, bis er verstanden hatte um was es hier ging, die junge Dame hat ihren Freund aus der Wohnung geschmissen, ohne sein Wissen. Als er das alte Schloss auswechselte spürte er die Trauer und Wut der jungen Dame, deren Augen voller Tränen waren. Er hatte ein grosses Bedürfnis sie zu umarmen und zu trösten, ihr lächeln wollte er unbedingt sehen. Die Frau hat ihm einen Kaffee angeboten, eigentlich würde er sich bedanken und den Kaffee nicht annehmen, da es spät war, doch diese Chance konnte er sich nicht entgehen lassen.

Seit diesem Auftrag sind 20 Jahre vergangen und mein Onkel trinkt noch jeden Morgen mit dieser Dame einen Kaffee. Die Dame verabschiedet meinen Onkel aus ihrer gemeinsamen Wohnung mit einem Lächeln zur Arbeit.

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